Heinz Drusowitsch'
Zu den Arbeiten von Thomas Riess
Thomas Riess zeichnet mit Grafitstift, Kohle und Pastellkreide und koloriert mit Acrylfarbe auf Papier. Seine Titel sind beim Wort genommen bis Wort spielerisch und archetypisch in Bildlinien umgesetzt. Die Hintergrundfarbe setzt oft die Bildgegenstände kontrastreich ab und verstärkt symbolhaft. Bisweilen sind lineare Bildgegenstände malerisch überdeckt, versteckt oder aufgeklebte Bildreproduktionen teilweise koloriert bis übermalt. Schrift- und Linienstruktur bestätigen die klassische Zeichnung. Seine Bilder sind kleinformatig, 12 x 12 cm bis 20 x 20 cm, und sollen nicht nur einzeln sondern auch gemeinsam in Serie betrachtet werden. Seine spontan gestalteten Zeichnungen sind bisweilen Vorlage für seine Malerei und stellen einen Teil seiner tagebuchartigen Aufzeichnungen dar.
Sein malerisches Werk ist bestimmt durch bewusste Abstraktion. Er malt mit Acryl- und Ölfarbe auf Leinwand. Aus genauer Beobachtung und mit schnellem Entschluss entstehen bei ihm figürliche Farbbilder. Sein Werk ist reich an Verwandlungen und Kontrasten. Die Bilder sind Metamorphosen der sichtbaren Realität und zugleich der eigenen Innenwelt. Veränderungen beherrschen seine Bildwelt als Prinzip: Daher ist der Reichtum an Ausdrucksgebärden in Formen und Farben umgesetzt zwischen explosiver Dramatik und frei aufschwingenden Farbbewegungen: Daher die Lebendigkeit seiner Bildsprache. Und doch herrscht Gleichgewicht zwischen entfesselnder Expressivität und Bildkonstruktion.
Im Grunde gibt es nur ein Thema: Die Figur, die er immer wieder in vielen Serien frei variiert. Vielleicht entspricht der Standpunkt von Willem De Kooning seinem Motiv, „Alles, was wir erwarten können, ist, ein bisschen Ordnung in uns selbst zu schaffen“. Und dieses Motiv bietet ihm Anlass zur Entfaltung von Malerei. Doch malen ist nicht so einfach wie Karl Horst Hödicke bewusst lakonisch formuliert. „Malerei ist eine Art und Weise, wie ein Bild gemacht wird“. Thomas Riess macht ein Bild von sich. Seine Malerei ist sich selbst genug. Er ist ein „heftiger“ Maler mit erstaunlichem Sinn für kompositorische Balance und für Differenzierung von Farbwerten. Er braucht etwas, wonach er malen kann, wiewohl er manchmal im Gestaltungsprozess von seiner Themenvorstellung abkommt und andere Wege geht. Aus dem leeren Himmel malt er nicht.
Thomas Riess denkt und malt sein Tagebuch.
Das Gedächtnis sind die Erinnerungen. Es sind Bilder vom Menschen, von sich selbst, der Rollen spielt, die er sich auch zugedacht hat. Er ist ein Wesen, das nicht nur dazu da ist, um angeschaut, sondern auch um analysiert zu werden. Seine „Körperkunst“ ist auf das eigene Ich und den eigenen Körper als dessen Hülle bezogen. Er macht sich selbst zum Studienobjekt, ist aber nicht „egozentrisch“. Er nimmt seine beharrende Selbstbefragung auf sich, um seine Erfahrungen anderen mitzuteilen. Mit seinen Selbstbildgestaltungen wird Malerei Identität stiftende Ressource gegen eine krankmachende Risikogesellschaft.
Seine Selbstversuche, Selbstbeobachtungen sind zugleich auch Untersuchungen zum Problem Malerei, zur Frage der optischen Vermittlung inneren Erlebens. Er macht sich Gedanken über Inhalt und Haltung sowie über Bildgestaltung. Er vermischt in seinem Arbeiten malerische Aktionen und Selbstbefragung in Form der distanzierten Reflexion des eigenen Denkens, Fühlens und Tuns auf intelligente Weise.
Prof. Mag. art. DI Heinz Drusowitsch